Herzbrust

Diagnose Brustkrebs- die etwas andere Elternzeit

Warum eigentlich Herzbrust?

Es ist der 18.2.2022 – es gibt eine Sturmwarnung und ich überlege, ob ich den Termin im städtischen Krankenhaus überhaupt wahrnehmen soll. Brustsprechstunde – klingt schon etwas merkwürdig, fast albern. 

Aber ich denke mir, man muss Prioritäten setzen und so eine Verhärtung in der Brust muss abgecheckt werden. Wird schon nichts dramatisches sein. Die Frauenärztin hat bei der Untersuchung eher auf ein Fibroadenom, also einen gutartigen Tumor getippt. Nachdem sie im Ultraschall ein herzförmiges Etwas gesehen hat, wünscht sie mir auf ihrer trockenen Art „happy Valentinstag“ – es war tatsächlich Valentinstag.

Auf jeden Fall sollte ich mich in der Brustsprechstunde vorstellen- und zusehen, dass ich schnell einen Termin bekomme. Sollte es länger als eine Woche dauern, würde sie da auch persönlich anrufen. 

Warum die Eile, wenn es doch nur wie ein Fibroadenom aussieht? Ich verdränge den Gedanken und arbeite mich durch den Sturm zum Krankenhaus vor. Hmm, falscher Eingang. Eine nette Krankenschwester lässt mich herein. Im Wartezimmer lese ich entspannt in einer Elternzeitung: der erste Brei und Blätter in einer Frauenfachzeitung: Blasenentzündung- ja kenn ich. Geburt, stillen- bester Schutz vor Brustkrebs. Alles richtig gemacht…

Ich werde hereingerufen. Der Arzt ist noch jung und irgendwie sympathisch- wir scherzen. Ich denke mir, ach ja- so schlimm ist ein Fibroadenom schon nicht.

Ich nehme Platz auf der Liege. Der Doktor hält den Ultraschallkopf auf meine Brust – das Scherzen verstummt: „Das ist Brustkrebs“. 

Ich schließe dir Augen. Alles ist ganz weit weg. Das hat er nicht wirklich gesagt. Das kann er nicht gemeint haben. Das Wort hängt in der Luft. Mein Gehirn wehrt sich. Dann kommt das Entsetzen. 

Eine ältere Krankenschwester tätschelt meine Hand. Der Doktor macht eine Stanzbiopsie- entnimmt Gewebe mit einem Knall. Ich halte die Augen weiter geschlossen. 

Der Doktor murmelt etwas von wegen letzter Termin vor dem Wochenende- damit hätte er nicht gerechnet (Hallo? ich übrigens auch nicht!!!!) während er das Gewebe unter dem Mikroskop betrachtet. Für ihn eindeutig. 

Die Krankenschwester stellt sich vor als breast care nurse, die ab jetzt an meiner Seite stehen will. Ich will aber nur noch weg. Renne aus dem Krankenhaus bis ich mein sicheres Auto erreicht habe. 

Ein verheultes Wochenende. Mein lieber Mann und ich sprechen mit unseren Eltern und Geschwistern. Meine liebe Hebamme, die mich zur Frauenärztin geschickt hat, kommt vorbei.

Ich bin gestresst – überfordert und hoffe immer noch, wieder aufzuwachen.

Staging – ein bisschen Hollywood?

Staging, das ist die Zeit der Bestandsaufnahme, nachdem ein Krebs festgestellt wurde. Sehr viele Untersuchungen dienen dazu, das Ausmass des Tumors und den Gesundheitszustand des Patienten besser einzuschätzen. 

Man steht absolut im Mittelpunkt. Andere beschreiben es wie eine Mühle, durch die man gedreht wird. Ich würde sagen, es war einfach eine krasse Erfahrung. Nachdem im örtlichen Krankenhaus der Brustkrebs festgestellt wurde, hat meine liebe Arzt-Freundin angefangen am Rad zu drehen. Ihr Mann ist ebenfalls Arzt. Die beiden kennen sich aus – das wichtigste sei schnell zu reagieren und die Therapie schnell zum Starten zu bringen. Die Truppen auf den Tumor zu hetzen. Da müsste ich jetzt durch – verarbeitet würde später! Die zwei haben sich aus der Ferne ( München) total ins Zeug gelegt und einen MRT Termin in Düsseldorf organisiert nachdem sich ein Spontanbesuch in München als unrealistisch herausgestellt hat.

MRT- das ist die Röhre mit den lauten U- Bootgeräuschen. Ich liege in der Röhre. Habe über mir eine Art Käfig, bin stabilisiert festgebunden und um mich herum komische Geräusche. Das klingt ein bisschen so, als wäre man in einem Mahlwerk gelandet. Aber ich halte das durch, lasse einfach die Augen geschlossen und durch das viele Licht in der Röhre ist es halb so schlimm. Dann kommen die Kommandos: Einatmen- 20 Sekunden halten- dann wieder ausatmen. 20 Sekunden -das fällt schwer. Das ganze fünf mal hintereinander, dann geht es wieder weiter mit dem ratarataratarata. Ich schaffe das und dann hab ich’s auch wirklich geschafft und die gute Nachricht kommt direkt- es wurde nichts zusätzliches zum Tumor gefunden. Ein Lymphknoten ist etwas vergrößert, aber sonst nichts auffälliges. Das ist sehr beruhigend. Die gute Nachricht ist, es hat nicht gestreut- Hurra!!!!.

Am nächsten Tag: meine Arzt-Freundin hat direkt im international anerkannten Brustzentrum einen Termin für mich gemacht. Der leitende Arzt klärt mich direkt auf, ich könne beim Stillen nichts ans Baby weitergegeben haben. Eventuelle Krebszellen würden im Magen des Babys sofort zersetzt. Das beunruhigt mich, denn darüber habe ich mir gar keine Sorgen gemacht. Ich fühle mich wie eine Rabenmutter. Ich denke nicht weiter darüber nach. Keine Kraft. Weitere Untersuchungen starten. Das Ergebnis der Biopsie ist noch nicht vollständig. Eine zweite Biopsie wird durchgeführt, ein Marker wird eingesetzt, damit man später den Ort des Tumors auch wieder findet, falls er durch die Chemotherapie komplett verschwindet sollte. Weitere Untersuchungen wie ein Herzecho und Mammographie folgen. 

Ich bin gut durchgetaktet mit Vorgesprächen zur Chemo und zu einer Port OP. Der Port ist ein permanenter Zugang, der unter der Haut liegt. Macht die Infusionen für die Chemo einfacher.

Es ist so viel Input, dass ich mich später kaum noch an den Inhalt der Gespräche erinnern kann.

Staging Teil 2 oder der Krankenkassen- Krimi

Das war mir auch vorher nicht klar: es gibt nicht DEN Brustkrebs. Es gibt ganz viele verschiedene Arten. 

Durch die Biopsie wird Gewebe entnommen, das analysiert wird, um mehr Infos zu bekommen zu Wachtumsraten etc. Dann wird auch getestet, ob der Tumor auf Hormone bzw. Antikörper anspricht.

In meinem Fall, spricht der Tumor nicht auf Hormone an. Das heißt, als Therapie zusätzlich zur Chemo, fallen die Hormone weg. Es gibt allerdings eine vielversprechende Immuntherapie. In den USA schon gängig, in Deutschland noch nicht. So wie ich das verstehe, wird durch die Immuntherapie das körpereigene Immunsystem dazu gebracht, die Krebszellen zu erkennen und unschädlich zu machen. 

Leider eine sehr teure Therapie. 

Mein Arzt sagt, es sei wichtig, alles studienkonform durchzuziehen. Falls die Krankenkasse dann noch ablehnen sollte, könnte man im Eilverfahren vors Sozialgericht. Ein Albtraum.

Wir verstehen den Arzt falsch. Wir verstehen, dass die Therapie von der Krankenkasse bereits abgelehnt wurde. Meine liebe Arztfreundin ruft bei meiner Krankenkasse an. Beschwert sich, lässt sich bis zum Vorstand durchstellen. Die Nerven liegen blank. Am Ende stellt sich heraus, meiner Krankenkasse liegt noch kein Antrag vor, es wurde also auch nichts abgelehnt. 

Der Antrag muss her- so schnell wie möglich. Die Krankenkasse kann das nicht allein entscheiden. Der medizinische Dienst wird eingeschaltet. Studien gewälzt. Es bleibt spannend. Der Leiter von meiner behandelnden Klinik setzt sich persönlich ein. 

Studienkonformes Vorgehen heißt für mich zwei große Ganzkörper- CTs. Einmal herkömmlich mit radioaktiver Zuckerlösung und einmal eine neue Art von CT, die gerade noch getestet wird. 

Und jetzt beginnt das Theater. Um an dem zweiten CT teilnehmen zu dürfen, muss ich wieder an einer Studie an einer anderen Klinik teilnehmen. Ich muss nachweisen, das ich nicht schwanger bin und nicht plane, schwanger zu werden. Absolut absurd in dieser Situation. 

Als das nach langer Diskussion geschafft ist, geht es endlich los. Die CTs sind nervig, lange bewegungslos Liegen auf einem Brett, das durch eine Art Doughnut geschoben wird. Aber am Ende gibt es 3D Aufnahmen von meinem Körper mit leuchtenden Punkten, an denen sich Krebszellen befinden. Bin sehr froh, dass es diese leuchtenden Punkte in meinem Fall nur an einer Stelle gibt. Selbst der vergrößerte Lymphknoten zeigt nichts an. Das ist interessant für die Forschung, weil ein widersprüchliches Ergebnis zum Standard-CT.

Durch das radioaktive Zeug in meinem Blut , bin ich strahlend unterwegs. Muss mich also von den Kindern fernhalten. Zwei Tage und zwei Nächte. Ich komme netterweise bei meinen Eltern unter. Am ersten Abend gehen wir das Thema Genetik an. Auf Grund meines Alters und familiärer Vorbelastung, soll weiter genetisch untersucht werden. Dazu müssen Stammbäume ausgefüllt werden. Eine Großtante taucht auf, früh verstorben, Todesart unklar. Wir forschen nach. Verstorben an Brustkrebs mit Anfang 40. Schrecklich! Allerdings schon lange, lange her. Später wird die auf Genetik spezialisierte Ärztin erklären, dass die väterliche Linie wohl nicht so relevant sein soll. 

Dann: Ein paar Wochen später: die große Erleichterung! Die Krankenkasse hat die Immuntherapie genehmigt!!!!

Große Erleichterung

Hurra! Die Therapie schlägt an! Der Ultraschall zeigt den Beweis: Der Tumor ist von 2,2 auf 1,3 cm geschrumpft. Und das nach 6 Einheiten Chemotherapie und einmal Immuntherapie. Ein sehr gutes Ergebnis, sagen die Ärzte. Große Erleichterung!

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